Der Übergang Schule-Beruf

bei lernbehinderten Jugendlichen als kritisches Lebensereignis

Contents

Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Thematik „Der Übergang Schule-Beruf bei Lernbehinderten als kritisches Lebensereignis“ auseinander. Über eine konkrete Definition von Behinderung soll versucht werden den Begriff der Lernbehinderung plausibel zu erklären. Die Definition von Lernbehinderung wird im Folgenden bewusst kritisch dargestellt, um sie in einen realistischen Kontext mit dem  Übergang von der Schule in das Berufsleben und seinen besonderen Hemmnissen für Lernbehinderte bringen zu können. Um später den Übergang in das Berufsleben als kritisches Lebensereignis darstellen zu können, wird vorangehend auch das Konzept der kritischen Lebensereignisse vorgestellt.  Mit dem Bewusstsein für eine Lernbehinderung und der Kenntnis über kritische Lebensereignisse wird abschließend der Übergang eines Lernbehinderten von der Schule in das Berufsleben unter Berücksichtigung aller vorangegangenen Annahmen und Feststellungen als kritisches Lebensereignis abgebildet werden.

Lernbehinderung

Um mit dem Begriff Lernbehinderung  umgehen zu können muss zunächst einmal geklärt sein, was überhaupt eine Behinderung ist, beziehungsweise was eine Behinderung von einer Krankheit unterscheidet.  Darauf folgend soll versucht werden die Definition von Behinderung auf den Begriff der Lernbehinderung zu transformieren. Dabei soll deutlich gemacht werden, das Lernbehinderung keine Behinderung im klassischen Sinne ist und die Diagnostik einer Lernbehinderung zwar auf einer medizinisch und psychologischen Klassifikation basiert, aber Lernbehinderung im Konsens häufig an den sozialen Umgebungsbedingungen eines Lernbehinderten zu manifestieren ist.

Was ist Behinderung?

Nach dem Sozialgesetzbuch, SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen), § 2 sind Menschen behindert „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ (Sozialgesetzbuch, SGB IX, §2).

Bleidick definiert Behinderung als eine funktionale Schädigung, wobei er zwischen körperlicher, seelischer und geistiger Beeinträchtigung differenziert  (vgl. Bleidick, o.J.).

Ein differenzierterer Ansatz unterscheidet zunächst einmal die Begriffe Krankheit und Behinderung darin, das eine Krankheit vorübergehend und eine Behinderung dauerhaft ist. Weiterhin ist Behinderung nicht als funktionale Störung anzusehen, sondern als eine dauerhafte und sichtbare Abweichung im körperlichen, geistigen oder seelischen Bereich, der allgemein ein negativer Wert zugeschrieben wird. Ein Mensch ist dann als behindert anzusehen, wenn eine unerwünschte Abweichung von unterschiedlichst definierten Erwartungen vorliegt  und aus diesem Grund negative soziale Reaktionen auf ihn einwirken. In diesem Zusammenhang ist eine Behinderung nicht statisch sondern vielmehr in relativer Abhängigkeit verschiedener Zusammenhänge (vgl. Cloerkes, 2001, 7 u. 13).

Eine Behinderung ist also nicht absolut zu sehen, sondern vielmehr „relativ in verschiedenen Zusammenhängen“ (Cloerkes, 2001, S. 13).

Die WHO (World Health Organization) unterscheidet außerdem zwischen Schädigung und Behinderung. Schädigung ist demnach eine Störung auf organischer Ebene. Eine Behinderung ist eine Störung auf der personalen Ebene, die Bedeutung für einen konkreten Menschen hat. Die Benachteiligung oder das Handicap schließlich umfasst die möglichen Konsequenzen im sozialen Bereich  (vgl. Cloerkes, 2001, S. 4).

Nachdem Bleidick Behinderung relativ eindeutig und starr definiert, setzt Cloerkes mit einer differenzierten Definition an, indem er exogene Faktoren wie die Erwartungshaltung des Umfeldes, Normen und soziale Reaktionen anspricht (vgl. Cloerkes, 2001, S. 7 u. 13), seine Aussagen werden im Kontext durch die Aussagen betroffener Menschen, die ausdrücklich sagen: „Ich leide nicht“, oder sogar ihre Behinderung bestreiten, aber auch mit einem Slogan der Behindertenbewegung, der sagt: “Es ist normal verschieden zu sein“, die übliche negative Bewertung einer Behinderung hinterfragt, indem mutmaßliche Einschränkungen als Differenz oder Variation des „Normalen“ dargestellt werden (vgl. Schramme, 2003, S. 180), untermauert.

Differenziert betrachtet zeigt sich, das Behinderung weder an einer  funktionalen Störung, noch an einer einwirkenden, negativen sozialen Reaktion singulär festzumachen ist, sondern einer ganzheitlichen Betrachtungsweise bedarf, die kumulativ alle Faktoren, wie die Schädigung an sich, negative soziale Reaktionen auf die geschädigte Person, die Erwartungshaltung des Umfeldes und das Selbstbild der Person, berücksichtigt.

Überleitung von Behinderung zu Lernbehinderung

Nachdem die Definition von Behinderung schon zeigt, dass der Begriff Behinderung weder  statisch, noch in einer einzelnen Dimension zu erfassen ist, soll die Definition dennoch auf den Begriff Lernbehinderung transformiert werden. Bezieht man sich bei dem Definitionsversuch für Lernbehinderung auf die Beeinträchtigung durch eine funktionale Schädigung als Definition von Behinderung (vgl. Bleidick, 1998), begibt man sich in die Gefahr, Lernbehinderung  in einer einzelnen Dimension  zu definieren. Daher scheint es plausibel zu sein, nicht einzelne Faktoren, wie kognitive Störungen oder verminderte Intelligenz für eine eindimensionale Definition zu verwenden, sondern für die Definition von Lernbehinderung einen umfassenden Ansatz zu suchen, der die relativen Zusammenhänge berücksichtigt, wie ihn Cloerkes für seine Definition von Behinderung verwendet (vgl. Cloerkes, 2001, 7 u. 13).

Es gibt viele Definitionen von „lernbehindert“ und „Lernbehinderung“ (Weiß, o.J.). Einigkeit besteht allenfalls in der Tatsache, dass der Begriff Lernbehinderung um 1960 im Zusammenhang mit der Umbenennung der Hilfsschule in Schule für Lernbehinderte entstanden ist und darüber, das Lernbehinderung  eindeutig vom (klassischen) Begriff der Behinderung abzugrenzen ist. Während Weiß in drei Faktorengruppen differenziert und dabei auch die kausale Ebene einbezieht, indem er als mögliche Faktoren auch biologische Faktoren, speziell Funktionsstörungen des Zentralnervensystems in Betracht zieht, er spricht von „Teilleistungsstörungen“ (vgl. Weiß, o.J.), distanziert sich Kanter von der Aussage, Lernbehinderung sei auf der kausalen Ebene anzusiedeln. Seine Aussage ist, das Lernbehinderung auf der funktionalen Ebene liege und untermauert dieses indem er sagt, das zwar kausale Zusammenhänge, wie Intelligenzmängel und kognitive Verarbeitungsschwierigkeiten sich ungünstig auf Lernprozesse auswirken, aber nur als Teil einer Ursachenkette nicht als Letztursache gelten können (vgl. Kanter, o.J.).

Kontrovers kann man nun einbringen, dass die Definition von Lernbehinderung auch von der spezifischen sozialen Ebene des Lernbehinderten und unserem heutigen Leistungsanspruch und Normenbewusstsein, aber auch von Faktoren wie technischen und wissenschaftlichen Fortschritt abhängig ist.

Hünermund zitiert Eberwein wie folgt: “Lernbehinderung ist also kein feststehendes, defizitäres Persönlichkeitsmerkmal, das dem Individuum unabhängig von schulischen Rahmenbedingungen und Leistungsanforderungen zukommt. Sie ist vielmehr eine schulorganisatorische, normenabhängige und deswegen relative sowie relationale Bestimmungsgröße, die von Lehrer zu Lehrer, von Schule zu Schule, von Ort zu Ort und von Kultur zu Kultur variiert“ (vgl. Hünermund, o.J.).

85% der heutigen Schüler, die eine Sonderschule für lernbehinderte besuchen, kommen aus der sozialen Unterschicht. Die aktuellen Ergebnisse der PISA-Studie belegen für Deutschland die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und möglichem Schulerfolg (vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte, 2006, S.38).  Weiterhin kann man Faktoren wie den Strukturwandel in der Wirtschaft, d. h. die ständig steigenden technischen und daraus resultierenden kognitiven Anforderungen mitverantwortlich machen. Was früher durch soziale Kollektive, im kleinsten die Familie mit ihrem Bewusstsein für die Gemeinschaft, aufgefangen wurde, ist heute in dieser Form nicht mehr möglich. Soziale und kulturelle Kollektive brechen weg und wir leiden unter einer zunehmenden Individualisierung, jeder ist nur noch für sich selbst verantwortlich, verliert aber bedingt durch wirtschaftliche und politische Einflüsse das Selbstvertrauen und den Mut zur Mitwirkung- und Gestaltung in vielen Bereichen (Klönne, 2006).

Lernbehinderung ist also klar vom Begriff der Behinderung abzugrenzen, bedarf aber mindestens einer ebenso ganzheitlichen Betrachtungsweise. Sie nicht kann an einzelnen Faktoren wie Intelligenzmängeln oder kognitiven Störungen festgemacht werden, sondern hängt auch von den Anforderungen und dem Normenbewusstsein des Umfeldes ab und wird von Faktoren wie sozialer Herkunft und sozialem Umfeld mitbestimmt. Ergänzend kann man im Zusammenhang die Annahme treffen, das mit der Zunahme von Anforderungen, bedingt durch technischen Fortschritt, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, in Zukunft die Zahl der Menschen, die unter einer Lernbehinderung im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise leiden, ansteigen wird.

Abschließend ist festzustellen, Lernbehinderung lässt sich nicht an einzelnen Faktoren festmachen, die in der Person des Lernbehinderten liegen, vielmehr ist die konkrete lernbehinderte Person diejenige, die aus welchen Gründen auch immer, die Sonderschule für Lernbehinderte besucht.

Der Weg in die Sonderschule und mögliche Folgen

Im Regelfall werden Grundschüler, die ein Schuljahr zweimal wiederholen, in die Sonderschule für Lernbehinderte überwiesen. Diese Verfahrensweise wird  „… über eine medizinisch und psychologisch geprägte Klassifikation der Schüler legitimiert und mit den besonderen Förderungsmöglichkeiten dieser schulischen Einrichtungen begründet.“ (Pfahl, 2004, S.10)

Die Sonderschule für Lernbehinderte, mit der gleichen Regelschulzeit wie die Hauptschule, hat zum Ziel, durch Reduzierung der Lerninhalte und des Lerntempos, die Lern- und Leistungsdefizite ihrer Schüler zu kompensieren. Durch diese Verfahrensweise entsteht allerdings die Problematik, dass sich durch diese Reduzierung die bis dahin angenommenen Lernrückstände eher noch vergrößern, je länger der Sonderschulbesuch andauert.

Eine weitere Problematik entsteht dadurch, das, obwohl die Zahl der Zugänge nichtdeutscher Schüler in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich steigt, keine zusätzliche Sprachförderung für Schüler mit Migrationshintergrund vorgesehen ist. Diese Umstände haben zur Folge, dass die kognitiven Defizite der Sonderschüler nicht im notwendigen Umfang kompensiert werden, sondern der Leistungsabstand zu Schülern der Regelschule sich über die Dauer der Schulzeit vergrößert.

Für den weiteren Lebensweg entsteht dadurch die Gefahr, dass die für das spätere Berufsleben erforderlichen Grundbildungsanforderungen nicht erfüllt werden (vgl. Pfahl, 2004, S.10 f.).

Erschwerende Umfeldkonstellationen

Sucht man einen Bezug zwischen der sonderschulischen Laufbahn eines Lernbehinderten, seiner Demographie und seinem sozialen Umfeld, kommt man auf den Punkt, dass die Gesamtproblematik sich nicht ausschließlich aus dem Sonderschulbesuch ergibt. Wie bereits festgestellt kommen etwa 83% aller Schüler, die eine Sonderschule für Lernbehinderte besuchen aus einer sozialen Unterschicht. Etwa zwei Drittel aller Väter und Mütter von lernbehinderten Sonderschülern sind laut einer Hamburger Studie arbeitslos. Die daraus resultierenden ungünstigen Freizeit- und Wohnbedingungen wirken sich im Wesentlichen für sich schon ungünstig auf die Entwicklung aus. Hinzu kommt häufig noch ein mangelndes Bildungsbewusstsein der Eltern aus, die ihre eigene Bildungs- und Berufslaufbahn als Maßstab für ihre Kinder heranziehen und sich somit tendenziell bildungsfeindlich verhalten, weil sie mögliche Bildungsmaßnahmen ihrer Kinder nicht fördern. (vgl. Pfahl, 2004, S.12 f.).

Stigmatisierung von Lernbehinderung

Durch die institutionell legitimierte Zuweisung des Status Lernbehinderter, wie unter 2.3 beschrieben, befindet sich die betroffene Person quasi in einem Zwangsstatus, der kaum aufzulösen ist und über die reine Schulzugehörigkeit Sonderschule für Lernbehinderte hinausreicht. „Die lebenslänglichen Attribute eines bestimmten Individuums können bewirken, das es als Typ festgelegt ist“, als „eine stigmatisierte Person, deren Lebenssituation sie in Opposition zu Normalen platziert“ (Goffman 1968, zit. n. Thimm o. J.).

(Thimm, o.J.,  http://bidok.uibk.ac.at/library/thimm-lernbehinderung.html )

Wie die vorangegangene Grafik darstellt, handelt es sich bei dem Stigmatisierungsprozess um einen Menschen, dem der Status Lernbehindert zugewiesen wurde, um einen Umstand, der die betroffene Person ein Leben lang begleitet. Der gravierende Abschnitt ist dabei die Zuweisung des Status Sonderschüler der die Lernbehinderung zum ersten Mal offiziell in Erscheinung treten lässt. Weiterhin bestätigt sich im Zusammenhang der Stigmatisierung, das Schüler der Sonderschule für Lernbehinderte im vermehrten Maße stigmatisierende soziale Merkmale, wie Zugehörigkeit zu einer unterprivilegierten sozialen Schicht, ungeordnete Familienzusammensetzungen, Wohnung in sozial anrüchigen Wohngegenden aufweisen (vgl.  Thimm o. J.).

Das Thema der Stigmatisierung von lernbehinderten Sonderschülern soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, da für die Aufgabenstellung lediglich aufgezeigt werden soll, das die Wahrscheinlichkeit einer Stigmatisierung des lernbehinderten Sonderschülers  nicht unbeträchtlich ist, ergo für den Übergang des Lernbehinderten in das Berufsleben eine nicht unerhebliche Relevanz besitzt.

Abschließende Betrachtung

Trotz aller Bemühungen lässt sich Lernbehinderung nicht eindeutig definieren. Lernbehinderung begründet sich weder in einzelnen kognitiven Fehlleistungen, noch in einer verminderten Intelligenz für sich, sondern bedarf einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Lernbehinderung ist eine institutionelle Klassifikation für eine konkrete Person, die aus verschiedensten Gründen in die  Sonderschule für Lernbehinderte überwiesen wurde. Eine solche Überweisung in die Sonderschule basiert auf einer medizinischen und psychologischen Beurteilung der entsprechenden Person und wird in der Regel mit einem erhöhten Förderbedarf begründet. Wobei man im Regelfall die Zugehörigkeit zu einer unterprivilegierten Unterschicht und ein ungeordnetes soziales Umfeld zusätzlich berücksichtigen muss. Wenn man bedenkt, dass die  erforderliche Förderung mit einer Reduzierung von Unterrichtsinhalt und –Tempo einhergeht, hat diese Verfahrensweise schon etwas Diskreditierendes  an sich. Anstatt das diese jungen Mensche individuell und integrativ gefördert und unterstützt werden, landen sie quasi im Abseits mit wenig Chancen sich dieser Situation zu entziehen. Während meiner dreijährigen Tätigkeit in einem Berufsbildungswerk für Lernbehinderte, habe ich einige junge Menschen erlebt, die wegen einzelner kognitiver Schwächen, oder sozialer Auffälligkeiten in eine Laufbahn gedrängt wurden, die entgegen ihrer Fähigkeiten standen.

Kritische Lebensereignisse

Fast jeder kennt die Situation, dass mehr- oder minder gravierende Ereignisse unser Leben nicht immer gradlinig verlaufen lassen. Was bislang in der Trivialliteratur, aber auch in der großen Romanliteratur als Lebens- oder Schicksalsgeschichte ein Thema war, ist zu einem Thema der Psychologie geworden. Diese als kritische Lebensereignisse bezeichneten Situationen im Leben eines Menschen, lassen eben dieses nicht „gradlinig“ verlaufen, wobei an diesem Punkt noch keine Aussage über die Art und die Folgen solcher Ereignisse getroffen wird. Mit ihrem Anspruch menschliches Handeln in einem soziokulturellen und ökologischen Kontext zu betrachten, kommt die Psychologie in die Situation sich mit Lebensereignissen zu beschäftigen. Die Aufgabenstellung liegt darin zu untersuchen, in welchem Umfang sich kritische Lebensereignisse dazu eignen, menschliches Verhalten und Erleben erklären und vorhersagen zu können (vgl. Fillip, 1981, S. 3).

Würde man ein solches Ereignis mit der Interaktion der betroffenen Person als Prozess darstellen wollen, ergäbe sich eine Struktur die in ihrer, wahrscheinlich enormen Breite und Tiefe, von vielen individuellen Entscheidungsparametern als Verzweigungen  geprägt wäre.

Zum einen kann man sich jetzt die Frage stellen ob eine solch komplexe und individuelle Thematik wie Lebensereignisse überhaupt erforschbar sein kann, zum anderen sollte man sich fragen ob man mit dem allgemeinen Modell für die Analyse kritischer Lebensereignisse nicht Gefahr läuft  die individuelle und sehr komplexe Realität zu sehr zu normieren.

Betrachtet man nun das allgemeine Modell zur Analyse kritischer Lebensereignisse en Detail wird schnell bewusst, dass eine große Schwierigkeit gerade in der Individualität der Person im Kontext zu den individuellen Ereignissen liegt.

Das Konzept der kritischen Lebensereignisse

Eine Vielzahl von Lebensereignissen unterliegt der Entscheidungskontrolle der Person. Dies ermöglicht der Person eine vorwegnehmende Ereignisbewältigung, aber auch das Einleiten vorbereitender Maßnahmen. Hier muss zwischen normativen, also Ereignissen die für ein Lebensalter, oder einen bestimmten Lebensabschnitt einer Personengruppe spezifisch sind und non-normativen, folglich absolut individuellen Ereignissen unterschieden werden (vgl. Fillip, 1981, S. 11).

Gerade für ein Modell zur Analyse von kritischen Lebensereignissen sollte man sich die Abhängigkeit von einer Vielzahl unterschiedlicher sehr individueller  Parameter klarmachen. In den folgenden Kapiteln wird, wegen des Umfanges, nur auf den Teil dieser Parameter und Abhängigkeiten eingegangen, die offensichtlich der ursprünglichen Aufgabenstellung, den Übergang Schule-Beruf Lernbehinderter als kritisches Lebensereignis darzustellen, dienlich sind.

Personenmerkmale

Jüngere Menschen sind wesentlich häufiger kritischen Lebensereignissen ausgesetzt als ältere. 20-30 jährige berichten über doppelt soviel Lebensereignisse für einen zurückliegenden Zeitraum als Personen die über 60 Jahre alt sind wobei aber festzustellen ist, das die Personengruppe der über 60 jährigen die Ereignisse als wesentlich stressreicher wahrnimmt.

Frauen sind häufiger mit kritischen Lebensereignissen konfrontiert als Männer. Anderen Befunden zufolge zeigen sich Geschlechtsunterschiede nicht in der Anzahl, sondern in der Art der Ereignisse. Männer geben häufiger Ereignisse aus den Bereichen Beruf und gesetzliche Schwierigkeiten, Frauen dagegen mehr aus zwischenmenschlichen Bereichen an. (vgl. Fillip, 1981, S.17)

Schichtzugehörigkeit

In der Literatur finden untere soziale Schichten im Bezug auf kritische Lebensereignisse mehr Beachtung, das basiert auf der Annahme, dass diese sozialen Schichten stärker durch kritische Lebensereignisse belastet sind als andere. Tatsächlich ist die soziale Schichtzugehörigkeit eher bedeutsam für den Umgang mit Ereignissen. So zeigt sich bei der sozialen Unterschicht die Tendenz zur erschwerten Ereignisbewältigung, bis hin zur Verhinderung der Bewältigung. (vgl. Fillip, 1981, S. 21 f.)

Anwendungsimplikationen

Bis heute ist wenig bekannt über eine Ereignis-Resultat-Konsequenzbeziehung  im Bezug auf die individuelle Person, die einem entsprechenden Ereignis ausgesetzt ist.  Dieses Wissen ist aber erforderlich dafür, dass die Auseinandersetzung und Bewältigung nicht nur durch präventive Unterstützung  vermieden wird und somit ein gradliniges „ereignisarmes“ (Fillip, 1981, S. 45) Leben fördert, sondern das  eine Person den Umgang mit solchen Ereignissen im Vorfeld erlernt um ein entsprechendes Ereignis erfolgreich bewältigen zu können ( vgl. Fillip, 1981, S.45).

Im Bezug auf die Unterscheidung von normativen und non-normativen Ereignissen, ist es relativ eindeutig das man eine Person unter Kenntnis ihrer persönlichen Parameter, sehr wohl gezielt auf die Bewältigung eines normativen Ereignisses vorbereiten kann.

In Anlehnung an die Aufgabenstellung wird hier die Annahme getroffen, dass in diesem Fall die Sonderschule für Lernbehinderte, als institutionales Fördersystem, zumindest einen Teil der Vorbereitung auf das Ereignis „Übergang in das Berufsleben“ leistet.

Abschließende Betrachtung

Kritische Lebensereignisse sind aus ihrer scheinbaren Einfachheit Umstände mit denen Menschen im täglichen Leben umgehen und sie bewältigen müssen. Nicht selten stellt die Bewältigung solcher Ereignisse den sprichwörtlichen „Scheideweg“ für die betroffene Person dar. Wenn das Leben eines Menschen voraussehbar aber auch unvorhergesehen aus der „geraden“ Bahn geworfen wird, tragen viele Faktoren  zu der Entscheidung bei, wie der Weg der betroffenen Person weitergeht.  Gleichermaßen kann man auch sagen, es entscheidet sich, ob und in welcher Form ein solches Ereignis den Menschen und sein Leben verändert. Die Psychologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Lebensereignisse zu erforschen um das menschliche Verhalten und Erleben im Zusammenhang mit diesen „kritischen Lebensereignissen“ erklären und vorhersagen zu können. Die vorangegangenen Kapitel zu diesem Thema haben den Forschungsgegenstand  der kritischen Lebensereignisse lediglich angerissen um aufzuzeigen wie komplex und  umfangreich  die Erforschung der kritischen Lebensereignisse ist und das trotz der Individualität der Ereignisse und des Menschen in bestimmten Zusammenhängen gewisse Normen aufgestellt werden können.

Der Übergang Schule-Beruf

Der Übergang von der Schule in Ausbildung oder Beschäftigung ist für jeden jungen Menschen eine echte Herausforderung. Dies gilt auch für diejenigen, die schon seit ihrer Kindheit wissen, was sie einmal werden wollen, schließlich gilt es, selbständig Entscheidungen mit Langzeitwirkung zu treffen. Scheinbar zufällig bringt diese Phase noch weitere gravierende Veränderungen mit sich: Der soziale Status ändert sich durch die Aussicht, eigenes Geld zu verdienen. Eher normal ist, wenn gleichzeitig die Ablösung vom Elternhaus Thema wird und der Wunsch nach ersten Partnerschaften entsteht.

Lernbehinderte Jugendliche haben es vom Übergang von der Schule in die Arbeitswelt erheblich schwerer als gleichaltrige nichtbehinderte Jugendliche. Im Wesentlichen liegt das an der allgemein schlechten Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt und der daraus resultierenden relativen Chancenlosigkeit für den Lernbehinderten. Lernbehinderte Menschen haben außerdem oft mit Vorurteilen zu kämpfen (s. Kap. 2.3.2)  und verfügen zudem nicht selten über unzureichende persönliche Kompetenzen, die ihre Situation noch verschlimmern. Hinzu kommt häufig noch, dass Lernbehinderte Menschen in der Regel weniger gut für die Berufsfindung informiert sind.

Die Berufswahl Lernbehinderter

Wie oben bereits angesprochen, wachsen Schüler der Sonderschule für Lernbehinderte sehr häufig in einem sozial benachteiligten Umfeld auf. Die Sonderschule ist in diesem Fall mehr als ein reiner Lernort. Durch eine langjährige Gemeinschaft im Klassenverband und der Schule entstehen Freundschaften die unter Umständen andere Werte- und Normenvorstellungen prägen, als die bis dahin aus dem Elternhaus bekannten.

„Die Schulklasse ist eine institutionalisierte Gleichalterigengruppe unter der Leitung eines Erwachsenen, die […] nicht nur dem Lehren und Lernen dient, sondern auch der soziale Ort ist, an dem kindliche Erfahrungen in der Familie der Heranwachsenden auf der einen Seite und für alle geltenden Einsichten, Gesetzmäßigkeiten und Normen auf der anderen Seite aufeinandertreffen und miteinander vermittelt werden müssen“ (Krappmann 2001, zit. n. Pfahl, 2004, S. 14).

Ein dadurch, mitunter neu gewonnenes Verständnis für moralische Sachverhalte und ein  Bewusstsein für Freundschaft und Gemeinschaft ist in diesem Zusammenhang durchaus in der Lage das Selbstbewusstsein zu stärken.  Man darf dabei aber nicht außer Acht lassen, das die Mitglieder solcher Gemeinschaften oder Freundschaften in der Regel eine ähnliche Demographie aufweisen, was bedeuten würde, das dieser Umstand eine „weitere Einschränkung der kulturellen Ressourcen“ (Pfahl, 2004, S. 15) bedeuten kann. Im Bezug auf das soziale Umfeld des Lernbehinderten kann man davon ausgehen, dass weder Eltern, noch Freunde, die zumeist einer unattraktiven Erwerbstätigkeit mit einem geringen Qualifizierungsanspruch nachgehen, kaum eine Schnittstelle zu einem potentiellen Arbeitgeber bilden können.  Dadurch erhalten jugendliche Lernbehinderte außerhalb des schulischen Einflussbereiches wenig Einblick in die Modalitäten von Einstellungsverfahren und kaum Informationen über freie Arbeits- und Ausbildungsplätze wie es in anderen sozialen Schichten, häufig bedingt durch informelle Netzwerke, durchaus möglich wäre.  Darüber hinaus ergeben sich in der Regel noch weitere Problematiken, „ … beim Übergang von der Schule in den Beruf. Heute verlassen ca. 80 Prozent der Jugendlichen die Sonderschule für Lernbehinderte ohne Schulabschluss, dabei sind sie im Durchschnitt ca. zwei Jahre älter als SonderschulabgängerInnen der 60er Jahre. Die SonderschulabsolventInnen sind, trotz der Tatsache, dass sie die Schule zum Großteil ohne Schulabschluss verlassen, im Durchschnitt ca. 10 Monate älter als SchulabgängerInnen der Hauptschule … “ (Pfahl, 2004, S. 15).

Hinzu kommt, dass die meisten Sonderschüler die Schule ohne einen qualifizierten Abschluss verlassen, es zeigt sich aber auch, das sich für diejenigen, die, die Sonderschule mit einem Hauptschulabschluss absolvieren, der Sonderschulbesuch negativ auswirkt (s. Kap. 1.3.2). Durch eine komplett veränderte Arbeitsmarktsituation und anhaltenden strukturellen Wandel, kann man grundsätzlich auch von einer wesentlichen Chancenverschlechterung für Geringqualifizierte ausgehen (s. Kap. 2.2).  Diese Annahme wird dadurch qualifiziert, „dass ‚Ausbildungslosigkeit’ in Bildungsgesellschaften zu einem sozialen ‚Stigma’ geworden ist, das dazu führt, dass die heutigen Ausbildungslosen nicht nur von qualifizierten Personen auf einfache Arbeitsplätze verdrängt werden, sondern dass sie aufgrund von Fremd- und Selbstselektionsprozessen von den qualifizierten Arbeitsplätzen ausgeschlossen werden“ (Solga 2002, zit. n. Pfahl, 2004, S. 16).

Die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz sind für Sonderschüler sehr schlecht. Nur ca. 10 Prozent von ihnen erhalten eine Lehrstelle. Viele der Jugendlichen, die es in Ausbildung schaffen, brechen diese ab. (Pfahl, 2004, S. 18).

Die angeführten Zusammenhänge bestätigen zum einen, die Grundannahme aus der Definition des Lernbehindertenbegriffs, das sich die Überweisung in eine Sonderschule für Lernbehinderte aus welchen Gründen auch immer, aber auch der damit einhergehende Stigmatisierungsprozess sich grundlegend negativ auf die Lebenslauf des Betroffenen auswirken können.

Der Übergang in das Berufsleben bei Lernbehinderten

Die oben beschriebenen, sich auf Berufswahl und Arbeitsplatz ungünstig auswirkenden Umstände zeigen schon, dass der Übergang in dein Berufsleben für Lernbehinderte ein schwieriges Unterfangen darstellt. Wir vor schon festgestellt erlangen lediglich 10% der Sonderschulabgänger einen Ausbildungsplatz haben in der Regel aber große Probleme damit ihre Ausbildung zum Abschluss zu bringen.

Unqualifiziert und ohne Ausbildung

Diejenigen, die weder einen Ausbildungsplatz noch eine weitereichende „Förderung“ auf dem 2. Arbeitsmarkt erlangen können, münden entweder in Arbeitslosigkeit oder als unqualifizierte Hilfskräfte auf dem 1. Arbeitsmarkt wo sie mit wenig Widerstand und scheinbarer Selbstaufgabe unattraktive und niedere Arbeiten ausführen.

Wiederholte Institutionelle Zuweisung

In vielen Fällen wiederholt sich an diesem Punkt die institutionelle Klassifizierung, diesmal allerdings nicht durch den Schulpsychologischen oder –medizinischen Dienst, sondern durch die Arbeitsverwaltung.

Die reguläre Vollausbildung nach §§ 25 BBiG (Berufsbildungsgesetz)/HWO (Handwerksordnung).

Die abgestufte Ausbildung nach §§ 48 BBiG/42b HWO für diejenigen Menschen, für die eine betriebliche Ausbildung nach §§ 25 BBiG/HWO auf Grund der Behinderung nicht in Frage kommt. Für diesen Personenkreis kann eine modifizierte Ausbildung angeboten werden. Hier sind in aller Regel die Anforderungen an die Fachtheorie und/oder an die Fachpraxis reduziert. Durchgeführt werden diese Maßnahmen überwiegend in Berufsbildungswerken (BBW) (vgl, Handwerksordnung, 1998, §§ 25 ff.).

Ein Förderlehrgang ist eine Berufsvorbereitende Maßnahme, die mit dem Ziel einer dauerhaften Integration in Ausbildung oder Arbeit durchgeführt wird. In aller Regel wird diese Fördermaßnahme in einer überbetrieblichen Reha-Einrichtung absolviert. Das Arbeitsamt beauftragt freie und gemeinnützige Träger mit der Durchführung dieser Maßnahmen.

Die Werkstatt für Behinderte (WfB) bietet Personen, die nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, einen Arbeitsplatz oder die Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit. Im Rahmen des Arbeitstrainingsbereichs einer WfB wird ein in der Regel zweijähriger Kurs zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Persönlichkeitsentwicklung durchgeführt. (vgl. Berufsbildungsgesetz, 2005, §§ 25 ff.)

Die Angebote, die die Arbeitsverwaltung lernbehinderten Menschen machen kann, sind nach einer Logik organisiert: Es bestehen fest definierte und institutionalisierte Angebote, denen lernbehinderte Menschen zugeordnet werden. Durch den Besuch der Maßnahme soll der lernbehinderte Mensch so qualifiziert werden, dass anschließend eine Aufnahme in den so genannten 1. Arbeitsmarkt, den realen Arbeitsmarkt möglich ist. Dieses relativ starre Korsett der beruflichen Bildung kommt nicht unbedingt den individuellen Bedürfnissen lernbehinderter Menschen entgegen. Zwar findet durch die arbeitsmedizinische und/oder psychologische Untersuchung der Versuch statt, dem Lernbehinderten eine seinem aktuellen Leistungsniveau adäquate Maßnahme anzubieten, häufig werden den eigentlichen Bildungsmaßnahmen auch zusätzliche Erprobungsmaßnahmen vorgeschaltet. Letztenendes findet aber eine Anpassung des Menschen an das bestehende System der beruflichen Bildung statt, welches darüber hinaus häufig in Sonderinstitutionen organisiert ist (BBW, Überbetriebliche Bildungsmaßnahmen, WfB). Vor dem Hintergrund wachsender Anforderungen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gestellt werden und die eine verstärkte realitätsnahe berufliche Bildung verlangen, ist die Frage zu stellen, ob der Übergang von der Schule in das Berufsleben gerade für lernbehinderte Menschen nicht auch flexibler, individueller, betriebsnäher sowie nach regionalen Besonderheiten organisiert werden kann.

Das Resultat aus diesen Angeboten ist letztendlich eine rein aufschiebende Wirkung. Die Ausbildung oder qualifizierte Berufsvorbereitung finden zwar häufig unter relativ realistischen Bedingungen statt, bilden aber gleichzeitig einen schützenden und wahrscheinlich weiterhin entwicklungsverzögernden Rahmen, ähnlich der Sonderschule für Lernbehinderte.

Abschließende Betrachtung

Wie schon bei der Betrachtung der Lernbehinderung zeigt sich für die lernbehinderte Person auch beim Übergang in das Berufsleben ein vorgefertigter Lebenslauf. Wenige schaffen es einen Ausbildungsplatz zu bekommen, was sich mit zunehmender Technisierung und ständig wachsenden Anforderung zunehmend schwieriger gestaltet. Von denen die einen Ausbildungsplatz bekommen, sind die meisten nicht in der Situation, dass sie die, an sie gerichteten Erwartungen nicht erfüllen können und brechen ihre Ausbildung ab. Die meisten aber bleiben auf einem vorgezeichneten Weg, nehmen unattraktive Hilfstätigkeiten an oder werden zur Orientierung  und späterer Ausbildung in Rehabilitationseinrichtungen wie zum Beispiel Berufsbildungswerken untergebracht. Dort erlernen sie Berufe, die nach BBIG auf ihr vermeintliches Potential angepasst wurden (§48) und werden nach erfolgtem Abschluss noch sporadisch von Integrationsfachdiensten begleitet. Was ihnen aber bleibt, ist der Stempel Lernbehinderung, der sie auch mit solchen Berufsabschlüssen durch ihr zukünftiges Leben begleiten wird.

Der Übergang in das Berufsleben als kritisches Lebensereignis

Wenn man bedenkt, wie komplex sich die Definition von Lernbehinderung gestaltet und von wie vielen Faktoren ein mehr, oder minder erfolgreicher Übergang in das Berufsleben abhängig ist, kommt man leicht in die Gefahr, wegen der Fülle von individuellen Parametern die Möglichkeit, den Übergang Schule-Beruf bei Lernbehinderten als kritisches Lebensereignis zu beschreiben, zu verneinen. Im Folgenden wird sich allerdings zeigen, dass viele dieser Parameter im Bezug auf das Modell für die Analyse kritischer Lebensereignisse einen normativen Charakter besitzen.

Bestimmung der Ereignisparameter

Das Konzept der kritischen Lebensereignisse differenziert in epochalnormierte, altersnormierte und non-normative Ereignisse. Sind mit einem Mal viele Menschen aller Altergruppen betroffen wie zum Beispiel bei Krieg oder einem Erdbeben, spricht man von einem epochalnormierten Ereignis. Sind  sehr viele Menschen einer Altersgruppe von einem Ereignis betroffen, wie zum Beispiel Einberufung zum Wehrdienst, oder in unserem Fall der „Übergang von der Schule in das Berufsleben“, spricht man von einem altersnormierten Ereignis (vgl. Fillip, 1981, S.27).

Ein weiterer Ansatz ist die soziale Schichtzugehörigkeit, laut einer Analyse ist diese für die Art des Umganges mit dem Ereignis relevant, demnach zeigt sich bei Angehörigen der unteren sozialen Schichten eine Tendenz zu einer erschwerten oder sogar verhinderten Ereignisbewältigung (vgl. Fillip, 1981, S.22). Weitere Parameter wie Motivation, kognitive Strukturiertheit, Selbstwertgefühl, die Fähigkeit Bewältigungsstrategien zu entwickeln können hier in ihrer Relevanz  zwar angesprochen werden und wirken sich auch mit gleicher Wertigkeit auf die Bewältigung von kritischen Lebensereignissen aus, allerdings handelt es sich hierbei um sehr individuelle  persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften, so das man in der Varianz nur Annahmen treffen könnte.

Präventive Möglichkeiten

Des Weiteren kommen Anwendungsimplikationen,  die hier mit Stichworten wie Krisenprävention und Krisenintervention bezeichnet werden, in Betracht. Da man aber wenig Kenntnis darüber hat, wann ein Ereignis Handlungsspielräume  oder das Selbstwertgefühl verändert, trifft man hier nur die Annahme, das der Sinn präventiver Maßnahmen nicht darin liegen darf ein Lebensereignis zu verhindern, sondern vielmehr die betroffene Person dazu befähigen soll, konstruktiv mit Ereignissen umzugehen (vgl. Fillip, 1981, S.44 f.).  In unserem Fall, ist in diesem Zusammenhang sehr interessant, das Ereignisse die vorhersehbar sind als weniger kritisch betrachtet werden weil sie der betroffenen Person antizipatorische Bewältigungsstrategien ermöglichen und von vorwegnehmenden Maßnahmen begleitet sein können. (vgl. Fillip, 1981, S.31). Im weiteren Gefüge sind hier Studien interessant in denen primär präventiv alte Menschen erfolgreich auf die Einweisung in Alten- und Pflegeheime vorbereitet wurden. „Primäre Prävention mag sich also darauf beziehen, dass die Person in die Lage versetzt wird, solche kontextuellen Ressourcen sich verfügbar zu halten und ggf. zu nutzen. Hierzu mögen Kompetenzen und Verhaltensmerkmale relevant werden, die nur noch scheinbar etwas mit der Güte der Ereignisbewältigung zu tun haben, gleichwohl als Erziehungs- und Entwicklungsziele allgemeinerer Art  unter primären Gesichtspunkten formuliert werden können“ (Fillip, 1981, S.45 f.).

Für den Lernbehinderten, für den der Übergang von der Schule zum Beruf bevorsteht, kann in seinem Schulischen Umfeld sehr wohl mit geeigneten Maßnahmen präventiv auf dieses Ereignis vorbereitet werden, was zumindest theoretisch zur Folge hätte, das dieser Übergang als weniger kritisch zu betrachten wäre.

Eine kritische Schlussbetrachtung

Grundsätzlich sollte man in dem Bezug, Übergang Schule-Beruf davon ausgehen, dass sich diese Situation nicht nur für Sonderschulabsolventen als kritisches Lebensereignis darstellt.  Den meisten Menschen die diesen Schritt bewältigt haben, ist wohl die Phrase „Jetzt fängt der Ernst des Lebens an“ bekannt. Gleichwohl sollte man davon ausgehen, das eine Person nicht Grundlos in die Sonderschule für Lernbehinderte überwiesen wird. Mit der wagen Annahme, dass diese Person schon dieses kritische Lebensereignis bewältigen musste, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit wohl auch davon, dass diese Person in differierenden kognitiven Bereichen Defizite aufweist und unter gewissen Umständen auch wenig Handlungskompetenz, Selbstwertgefühl und Motivation besitzt um dieses Ereignis erfolgreich bewältigen zu können.

Literaturverzeichnis

  • Berufsbildungsgesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931), geändert durch Artikel 2a Nr. 1, Artikel 8 Absatz 2 u. Absatz 4 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931)
  • Bleidick, Ulrich: Behinderung. URL: http://195.185.214.164/bb/p071.htm   Download vom: 01.05.2006
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  • Thimm, Walter: Lernbehinderung als Stigma. URL: http://bidok.uibk.ac.at/library/thimm-lernbehinderung.html   Download vom: 10.05.2006
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